Heute hatte ich mal wieder eine Inspiration zu einem neuen Text in einer Unterrichtssituation.
Ein ganz klassisches Konstrukt, das mir immer wieder – manchmal auch bei mir selbst – begegnet. Ich möchte es Euch an einem Beispiel veranschaulichen.
Ein Pferd, das sich insgesamt nicht wahnsinnig gern anfassen lässt, sehr sensibel aber dabei nicht gefährlich wird, macht beim Gurten ein „Unmutsgesicht“. Zunächst mal finde ich es toll, dass die beiden Besitzer das schon als Problem erkennen und nicht erst, wenn das Pferd anfängt zu beißen. Wie oft wird über sowas hinweggegangen mit den Worten „ Das ist schon immer so“. Anyway, das ist ein anderes Thema ( kommt bald ;) )
Tellington Bauchheber
Eigentlich war ich zur Körperarbeit da, habe aber vorgeschlagen, den Tellington Bauchheber noch zu erklären, denn ich finde er hilft Pferden mit Gurtzwang phänomenal. Dabei wird von zwei Menschen ein Handtuch oder noch besser ein Körperband zuerst locker unter der Gurtlage gehalten und dann langsam angehoben, bis es das Pferd berührt. Im Tempo des Pferdes werden beide Seiten gleichmäßig angehoben und dem Pferd angeboten, Gewicht abzugeben. Die meisten Pferde entspannen das Gewebe hier sehr schön und merken so, dass sie IN das Handtuch hinein atmen können. Ein großes Problem beim Gurtzwang ist, dass sie die Idee haben, den Atem anzuhalten oder nur noch flach zu atmen. Geben wir ihnen die Möglichkeit, mit dem Baucheber ihren Atem eher noch zu vertiefen, wird das Problem mit dem Gurt gewöhnlich rasch kleiner.
So auch hier. Beim ersten Durchgang haben wir nur wenig angehoben, das Pferd reagiere nicht mit Unmutsgesicht, sondern mit Strecken des Halses und ein paar tiefen Atemzügen. Für mich ein Grund zur Begeisterung… Für den Kunden ein Grund zu der Frage: Aber ich kann das doch nicht immer so zart machen?! Leichte Panik schwang schon mit…
Lernschritte einbauen
Und das ist was ich häufig beobachte: Ein Problem taucht auf und eine mögliche Lösung besteht darin, Lernschritte einzubauen. Viele und kleine, die viele kleine Erfolge versprechen. Das ist, was die Tellington Methode ausmacht. Eine komplexe Situation wird in so viele kleine Lektion unterteilt, die erstens gut bewältigt werden können und zweitens sehr schnell klar zeigen, wo es schwierig wird. Viele Menschen sind angesichts dieser Fülle an Lernschritten aber erst mal in Schockstarre und haben dann die Idee, sie müssten immer bei Schritt eins bleiben. Und Schritt eins ist meist noch ziemlich weit vom Zielbild entfernt, zumindest gefühlt.
Stattdessen bleiben wir oft in unbefriedigenden Situationen hängen, die dem Ziel zwar äußerlich ähnlich scheinen, sich ihm aber nicht wirklich nähern.
Ich finde das sehr interessant und möchte Euch gern dazu auffordern, immer wieder zu überlegen, wie komplex in unseren Augen einfache Anforderungen für unsere Pferde sein können und die einzelnen Voraussetzungen mal auseinanderzudröseln.
Je klarer ist, an welcher Stelle ein Problem entsteht, desto leichter können wir unterstützen und das Problem muss gar nicht groß werden.
Und je kleiner die Lernschritte und damit die Chance sich selbst als erfolgreich und fähig in einer angenehmen Situation zu erleben, desto größer die Motivation, und umso schneller landen wir dann wirklich am Ziel.
Die Freude über jeden kleinen Erfolg ermöglicht es uns den Lernprozess positiv und befriedigend wahrzunehmen. Jede bewältigte Herausforderung stärkt den Glauben in unsere Fähigkeiten, macht uns mutiger und erlaubt uns offen auf Neues zuzugehen. Bei Pferden wie bei Menschen.
Also, keine Angst vor noch so keinen Teilschritten, oft werden, ehe man sichs versieht Riesensprünge daraus…
Viel Freude, Eure Yvonne
Zeichnung von Tine Obermann, danke Dir!
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