Ihr merkt es schon, im Moment liegt mir am Herzen, ein paar Gedanken zur Pferdewelt aufzudröseln, die nicht direkt etwas mit der körperlichen Ausbildung zu tun haben. Das wird auch wieder kommen, dazu gibt es aber auch schon eine fast unüberschaubare Menge an Artikeln.
Durch meine tägliche Arbeit habe ich aber immer mehr das Bedürfnis an der Basis zu basteln und heute geht es mir um den Umgang miteinander.
Wer mich kennt weiss, dass mir das Miteinander auf Augenhöhe sehr wichtig ist. Wer mich noch nicht kennt, der weiss es jetzt ;)
„Respekt“ und Miteinander
In der Pferdewelt ist „Respekt“ ein fast schon geflügeltes Wort. Das Pferd möge bitte Respekt haben und sich dergestalt verhalten. Meist wird es daran festgemacht, ob das Pferd Abstand zu uns hält und wie prompt es reagiert.
Jetzt gibt es mehrere Möglichkeiten das Wort Respekt einzuordnen. Wir können es eher in die Richtung der Scheu definieren, im Sinne von „Heidenrespekt“ oder Richtung Wertschätzung und Achtung.
Ich weiss nicht, wie es Euch geht wenn Ihr diese beiden Definitionen hört. Für mich ist eine eher einseitig, die andere beruht auf Gegenseitigkeit.
Ich stelle mal die gewagte These auf, dass die meisten Pferdemenschen sich die Variante gegenseitigen Respekts wünschen, gelebt wird oft eher die einseitige.
Wenn ihr jetzt empört seid, einmal Hand aufs Herz nur kurz in folgende Situationen gedacht: Ihr habt das Bedürfnis, Eurem Pferd die Nase zu streicheln, das Pferd aber nicht, es zieht den Kopf weg. Ist das für Euch eine wertfreie Kommunikation „ da mag ich es nicht so“ oder geht Ihr hinterher, haltet vielleicht den Kopf fest und streichelt trotzdem.
Oder Ihr erwartet von Eurem Pferd dass es Euren persönlichen Raum akzeptiert, meistens in einer Übungsphase, aber im nächsten Moment steht Ihr selbstganz nah neben ihm, haltet also SEINEN persönlichen Raum nicht.
Oder das Pferd mag es nicht, unterm Bauch geputzt zu werden und legt die Ohren an, stampft vielleicht noch mit dem Huf auf. Welche Aussage lest Ihr in dieses Verhalten? Darf es das? Darf es Unbehagen und Missmut äußern und führt das zum Überdenken der Situation oder wird es unterbunden?
Das sind nur ein paar Beispiele, die aus meiner Sicht der Beachtung und Reflektion bedürfen. Hier geht es nicht darum den mahnenden Zeigefinger zu heben, sondern den Blickwinkel zu öffnen für die Natur des individuellen Miteinanders. Indem wir Unmutsäußerungen als Ungehorsam oder Frechheiten betrachten nehmen wir der Kommunikation einen großen Teil des Spektrums und unserem Pferd einen großen Teil seiner Ausdrucksmöglichkeit. Unmut ist nicht mangelnder Respekt, er ist persönlicher Ausdruck für das Befinden. Was würdet Ihr tun, wenn ein Mensch Euch sagt, was Du tust möchte ich gerade nicht. Wäre das respektlos? Oder würdet Ihr Euer Verhalten anpassen? Das hat nichts mit unterordnen oder Gesichtsverlust zu tun, sondern ist die höfliche Basis des Miteinanders.
Wenn wir Respekt als etwas Gegenseitiges betrachten, ermöglicht uns das in unserem Miteinander große Spielräume für Nähe und Höflichkeit.
Wir wünschen uns ein höfliches Pferd, aber wie sieht es mit unserer Höflichkeit aus? Wie begrüßen wir unsere Pferd, oder auch ein fremdes? Geben wir ihm Zeit, uns wahrzunehmen und sich auf uns einzustellen? Wie bewusst sind wir uns, dass wir einen anderen Körper striegeln, satteln, führen? Würden wir einen anderen Menschen genauso behandeln? Und wenn nein, warum eigentlich nicht?
Ich weiß schon, Pferde sind keine Menschen und Menschen keine Pferde, aber unsere Essenz verdient die gleiche Achtung, Wertschätzung und Höflichkeit. Darum die Überschrift und der Vorschlag: Keine Angst vor Höflichkeit!
Sie macht nicht das Pferd zum Alleinherrscher, vielmehr ermöglicht sie eine neue Tiefe in der gegenseitigen Wahrnehmung.
Einer der Gründe, warum ich die Tellington Methode so liebe und unterrichte ist genau dieses Thema. Wir begegnen dem Pferd auf Augenhöhe mit Höflichkeit und versuchen, unerwünschtes Verhalten als Hinweis darauf zu verstehen, dass unserem Partner etwas nicht gefällt. Das ermöglicht uns, neue Lösungen zu finden, uns dabei selbst weiter zu entwickeln und die Beziehung zueinander auf lebendige, vertrauensvolle Art zu erfahren.
Also nochmal : Keine Angst vor Höflichkeit ;)!
Viel Freude, Eure Yvonne
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